WG65 – Fragment einer Briefreinschrift an Alma Mahler
Neubabelsberg, Montag, 5. September 1910
[am linken oberen Blattrand:]
Soll ich Dir
senden? ich finde es ein ganz
geniales Werk.
Neubabelsberg. 5. Sept. 10.
Meine , mein Weib! endlich kam
Dein sehnlichst erwarteter Brief. Ich telegra-
fierte Dir darauf und bin dann einige
Stunden auf und ab gegangen, um mich
zu beruhigen, denn es hat wild in mir
getobt. Deine Liebe ist mir ein köstlicher
Balsam – aber all das Schreckliche, gespenster-
hafte in Deinem Brief, liegt mir schwer
wie ein Alp auf. In diesem langen Schwei-
gen - \in/ dem Telegramm Deiner –
sehe ich irgend etwas, was mich beunruhigt.
\Du hast mir Offenheit/
Bist Du ihm ganz wieder Gattin gewor-
den und fandest deshalb nicht die \innere/ Ruhe
zum Schreiben? \Du bist „verzweifelt“!/ Du hast mir Offenheit
geschworen – ich bitte Dich, mir alles
zu sagen – ich verstehe Dich vollkommen.
Wenn Du wüßtest wie schrecklich es mir ist,
daß überhaupt ein Zweifel auftauchen
kann! – aber es ist nur die Folge
Deines langen Schweigens. Das Schweigen
macht unsicher und nimmt die einzige
Brücke, die wir zueinander haben.
Mein einziges Lieb, ich bin unglücklich,
weil sie Dich in die Enge treiben, Dich
bewachen, damit Du mich vergißt. Kannst [!]
Apparat
Überlieferung
, .
Quellenbeschreibung
1 Bl. (1 b. S.) – Briefpapier ohne Aufdruck, Tinte.
Druck
Erstveröffentlichung.
Korrespondenzstellen
Antwort auf AM27 vom 3. September 1910 (Dein Weib Alma): mein Weib.
Datierung
Datierung WG: 5. Sept. 1910.
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Bettina Schuster)
Brief – AM27 vom 3. September 1910.
Telegramm Deiner Mutter – nicht überliefert.
\Du hast mir Offenheit/ – Ergänzung in Bleistift.
„verzweifelt“ – Zitat aus AM27 vom 3. September 1910.